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Story von Anna Naglmayr

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Zielland Portugal
Geburtsdatum unbekannt
Kategorie
Schüler/in
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Anna Naglmayr, am 18.10.2017 um 11:52

7. Tagebucheintrag

Springturnier

Boa tarde!


Am Freitag fand das schulinterne Turnier statt, von dem ich in meinem letzten Tagebucheintrag schon geschrieben habe. Es war ein von drei Schülern organisiertes Springturnier bei dem es insgesamt vier verschiedene Bewerbe gab. Alle mit dem gleichen Parkour, nur wurden die Hindernisse immer höher gebaut und in den anspruchsvolleren Bewerben eine Kombination hinzugefügt. So konnten schwache und erfahrenere Reiter starten, aber auch die, die ein junges Pferd haben oder mal ihre Grenzen, oder die ihres Pferdes austesten wollten.


Um euch die langweilige Beschreibung des Turnierstresses zu ersparen beginne ich einfach ab dem Zeitpunkt, ab dem ich bereits am Pferd saß:


Langsam strich ich mit meiner rechten Hand seinen Mähnenkamm entlang. Es gab zwei Gründe warum ich das immer wieder machte. Der eine war, mein Pferd zu beruhigen, der andere, um mir meine Nervosität zu nehmen. Erfolglos. Im Schritt wärmten wir uns auf. Ich fühlte wie jeder seiner Tritte eine so gewohnte und vertraute Bewegung durch meinen Körper schickte, dass ich sie, wenn ich nicht auf sie achtete, gar nicht mehr registrierte. Jetzt konzentrierte ich mich aber auf diese Bewegung. Ließ mich bewusst auf sie ein und versuchte alles andere auszublenden. Es gab nur mich und Vizir. Langsam begann ich mit ihm zu arbeiten, ihn im Genick zu lockern und durch seine Längsachse zu biegen. Mit feinsten Fingerbewegungen und den Druck meiner Schenkel brachte ich ihn in eine Form, in der es ihm leichter fiel mich zu tragen. Wir wechselten in den Trab und schließlich galoppierten wir an. Vizir hat eine traumhafte Galoppade und wenn man ihn auch nur halbwegs gut reiten kann, lässt er sie einen auch spüren. Und genau das ließ er mich an diesem Tag und nahm mir somit -zumindest für die nächsten paar Minuten- meine Nervosität.


Nach ein paar Runden Galopp war es an der Zeit, ein paar Aufwärmsprünge zu machen und wir flogen nur so über die Hindernisse hinweg. Doch je höher sie gebaut wurden, desto mehr Respekt bekam ich vor ihnen und vor meinem Pferd, das nun plötzlich nicht mehr so locker und federleicht zu reiten war. Es fühlte sich an, als würde Vizir mit jedem Zentimeter den wir an Höhe gewannen, heißer und weniger kontrollierbar werden. Langsam aber stetig schlich sich meine Nervosität wieder in mein Bewusstsein und versteckte sich hinter der Angst, die es glücklicherweise noch nicht geschafft hatte sich zu entfalten. Als wir dann aber dran waren, spürte ich, wie sie sich bereits regte. Ich ritt in die große Arena ein und stellte mich den strengen Blicken der Richter. Die Stimmung auf der Tribüne war atemberaubend. Keinesfalls hätte ich so viel Begeisterung und Beifall für eine Reiterin und ihr Pferd erwartet, die noch nicht mal gezeigt hatten, was sie konnten…oder eben nicht konnten. Die Glocke, die von einem der Richter geläutet wurde, war das Zeichen dafür, dass mein Wallach und ich aber nun die Chance dazu hätten. Also galoppierte ich an, ging im Geiste nochmal den Parkour durch und stellte mir vor, wie ich Vizir sicher und ohne die Kontrolle über ihn zu verlieren, über die Hindernisse und durch das Ziel führe. Leider eine Wunschvorstellung.


Die ersten Sprünge nahmen wir fehlerlos, auch wenn die Distanz nicht ganz Stimmte. Vor der Kombi nahm ich zu viel Tempo raus, was uns fast eliminiert hätte, denn dadurch störte ich unseren ohnehin schon schlechten Rhythmus. Das zwang Vizir dazu einen Vorhandfehler zu machen und eine Stange zu reißen welche ihm dann zwischen die Beine flog und einen Sturz hätte verursachen können, doch mein Pferd rettete uns aus der Situation und nahm den zweiten Sprung als wäre nichts gewesen. Noch während wir über den Oxer hinwegflogen tätschelte ich ihn dafür und ließ ihn mit einem „danke Burli“ wissen, was er gerade geschafft hatte. Zwei Sprünge standen uns noch bevor. Beide in Richtung Ausgang und der hat bei manchen Pferden eine geradezu beschleunigende Macht. Leider auch bei Vizir und genau das wurde mir zum Verhängnis. Lustigerweise konnte ich das vorletzte Hindernis als einziges so anreiten wie ich es wirklich wollte. Früh genug setzte ich mich tief in den Sattel, brachte Vizir mit meinen Schenkeln dazu, sich mehr auf die Hinterhand zu setzten und zählte die Galoppsprünge bis zum Absprungpunkt genau mit. Als ich fühlte, dass die Distanz passte, gab ich ihm ein Zeichen und mein Pferd drückte sich kraftvoll vom Boden ab. Dieses Mal fühlte es sich wirklich an wie fliegen. Ein Traum der nur durch das Aufkommen der Pferdehufe auf den Boden wieder beendet wurde. Noch sechs Galoppsprünge bis zu meinem Verhängnis. Der erste war der langsamste, doch je näher wir dem Ziel und somit dem Ausgang kamen, desto schneller wurde Vizir. Ich fühlte wie er sich unter mit streckte, wie er immer mehr Energie in seine Vorwärtsbewegung investierte und ich nicht die nötige Kraft fand ihn zurück zu halten. Der Oxer, der immer mehr an Entfernung verlor, wirkte mit jedem Meter weniger sehr viel bedrohlicher als ein 1,20m hohes Hindernis eigentlich wirken sollte. Nun spürte ich, wie sich zu meiner Nervosität auch Angst dazu mischte. Eine Angst die ich beim Springen noch nie gefühlt hatte. Dieses Gefühl wurde aber durch die Ankunft am Oxer und das Abspringen meines Pferdes unterbrochen. Ab jetzt passierte alles wie in Zeitlupe. Eine unbekannte Kraft zog mich aus dem Sattel und meine Arme schlossen sich reflexartig um Vizirs Hals. Einen kurzen Moment lang schloss ich die Augen und wartete darauf am Boden aufzuprallen. Doch mein Griff lockerte sich nicht als meine Knie am Boden aufschlugen und ich hing nun vor meinem Pferd das einfach weitergaloppierte. Seine Karpalgelenke kickten mir in den Bauch und gegen meine Beine. Mein einziger Gedanke war nicht loszulassen, denn sonst würde ich unter mein Pferd geraten und seine Hufe würden auf meinen schutzlosen Körper herabdonnern. Doch wie lange konnte ich mich halten? Wie durch ein Wunder musste diese Frage nicht beantwortet werden, denn Vizir stoppte von ganz allein und das erste was ich registrierte war tosender Applaus. Völlig perplex stand ich neben meinem Pferd und starrte auf die Zuschauer. Catarina, eine Schülerin aus unserer Klasse, kam um mir zu helfen, doch es war keine Hilfe nötig. Es ging mir gut, also schwang ich mich wieder auf Vizirs Rücken und ritt im Schritt vom Platz.


Sorry Leute für diese ewig lange Story, aber die musste jetzt endlich aufs Blatt. Hab mir gedacht ich probiere mal etwas anderes aus und erzähle mein Erlebnis auf eine unglaublich epische Weise. Ob´s mir geglückt ist euch das Gefühl zu vermitteln selbst auf diesem Pferd zu sitzen dürft ihr selber entscheiden. Wenn dem nicht so ist, dann keine Bange, meine nächsten Texte versuche ich wieder mit etwas mehr Sarkasmus und Ironie zu würzen. Sind ja immerhin meine Geheimzutaten.


Bis bald…


Anna

Vizir (leider sehr schlechte Qualität)