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Story von Annika Zweimüller

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Zielland Norwegen
Geburtsdatum 07.02.1997
Kategorie
Studierende/r
Soziale Netzwerke

Annika Zweimüller, am 24.09.2017 um 17:03

Trolltunga - Ein Must-See für alle Mutigen

Die längste (und vielleicht härteste) Wanderung meines Lebens, belohnt mit dem besten Ausblick meines Lebens.

Wenn man sein Auslandssemester im Norden Norwegens macht kommt man nicht darum rum, davon zu hören. Wenn man die Natur auch nur ein bisschen schätzt kommt man nicht darum rum, sie sehen zu wollen. Und wenn man dann auch noch minimal sportlich ist, beschließt man vermutlich es zu tun: Die Wanderung zu Trolltunga.

Die Trolltunga, auf Deutsch übersetzt "Trollzunge" ist eines der bekanntesten Foto-Motive in Norwegen und womöglich auch eines der gefährlichsten. Ein Felsvorsprung, wenn man will mit der Form einer riesen Zunge, 700 Meter über dem Nichts umgeben von Bergen, Seen und unberührter Natur. Dass täglich hunderte von Touristen die Wanderung dorthin antreten ist wirklich nicht verwerflich. Trotzdem sollte man nicht zu leichtsinnig an die Sache heran gehen, denn die Wanderung erfordert einiges an Vorbereitung und am besten auch "recht stoake Wadln". Starten sollte man vor Sonnenaufgang, denn das Vorhaben kann auf jeden Fall 12 Stunden beanspruchen. Denn bevor man sein atemberaubendes Foto schießen kann, geht es erst mal 14 km bergauf. Und, ja, so ist es, später auch wieder 14 km zurück.

Überzeugt davon, dieser Herausforderung gewachsen zu sein haben auch fünf meiner Freundinnen und ich uns dazu entschlossen, die Wanderung anzutreten. Sofort war ein Mietauto gefunden und ein Airbnb gebucht, denn erst einmal braucht man 7 Stunden um von Oslo nach Odda (wo die Wanderung startet) zu kommen. 

Schon zuvor wurde uns gesagt, wir sollten Autobahnen vermeiden und eher die Landstraßen Richtung Odda nehmen, um die sagenhaften Landschaften nicht zu verpassen. Gesagt, getan und wir wurden belohnt: Die gesamte Strecke sah aus wie gezeichnet. Wir kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus und legten dementsprechend auch einige Stops ein. Unser Mittagessen aßen wir in "Geilo", was die Deutsch-Sprechenden unter uns (also auch ich) um einiges lustiger fanden, als es wahrscheinlich ist. Ab etwa der Hälfte der Strecke führte uns unser polnisches Navi (mit Übersetzung von Angela) auf einen Berg und die Gegend veränderte sich. Über der Baumgrenze angekommen, fühlte man sich wie in einem Fantasy-Film. Im Nebel fuhren wir langsam die Bergstraßen hinauf, während die Zahl auf der Temperaturanzeige weiter sank. Eis-blaue Seen und orange-grüne Steine formten die Landschaft, die in ein graues Licht getaucht war. Wenige grasige Stellen verrieten, dass hier vermutlich doch Lebeen möglich ist, doch auch die Straßen, auf denen wir die meiste Zeit das einzige Auto waren passten sich der Atmosphäre an. Unsere Aufenthalte, außerhalb des Autos blieben kurz, obwohl wir gerne länger geblieben wären. Es war schlicht und einfach zu kalt. Doch auch aus dem Auto heraus starrten wir ausschließlich aus den Fenstern und bewunderten den Ausblick. Bergab ging es dann langsam wieder Richtung Zivilisation und auch die Bäume und Häuser kamen zurück. 

Nach ungefähr acht Stunden kamen wir dann in Odda an und mussten bereits zum Startpunkt der Wanderung, obwohl wir die doch eigentlich erst am nächsten Tag antreten würden. Allerdings brauchten einige von uns bessere Wanderschuhe, die man sich dort ausborgen konnte. Bereits ziemlich erschöpft fuhren wir die engen Serpentinen hinauf zum Shop. Schuhe besorgt, Wandersocken gekauft (beste Entscheidung meines Lebens) und den Berg wieder herunter gefahren sollte uns jetzt nur noch eine Stunde bis zu unserem Airbnb bleiben. Tja. Falsch gedacht. Es sollten weitere zweieinhalb Stunden vergehen, bis wir dort ankamen. Eineinhalb davon bereits im richtigen Ort. Doch es wurde immer dunkler, wir immer müder und die Ortsangaben immer verwirrender. 

Irgendwann schafften wir es dann doch zu unserem Häuschen und nach weiteren zehn Minuten, die wir brauchten, um den Schlüssel zu finden und in die richtige Tür zu stecken, waren wir dann auch wirklich angekommen. Drinnen überzogen wir schnell unsere Betten, aßen zu "Abend" und duschten. Denn uns blieben nur noch drei Stunden, bis wir wieder aufstehen und unsere 12-Stunden-Wanderung antreten mussten.

Drei Stunden Schlaf, sechs Wecker und eine erneute einstündige Fahrt (inkl. der Serpentinen) später standen wir erneut auf dem Parkplatz, neben dem Shop, in dem wir am Vortag noch die Schuhe ausgeliehen hatten. Allerdings war der geschlossen und die Sonne noch nicht aufgegangen. Los ging's! 

Die ersten vier Kilometer, die man gegen Bezahlung sogar noch mit dem Auto fahren konnte (was wir nicht taten, ha!) machten uns schnell klar (falls wir es davor noch nicht verstanden hatten), dass das kein gemütlicher Spaziergang werden würde. Doch schon nach diesen vier Kilometern wurden wir mit einer unglaublichen Landschaft und wunderschönen Ausblicken belohnt. Tatsächlich war die gesamte Wanderung ein reines Wunderwerk der Natur, was einen schnell über die Anstrengung hinweg sehen ließ. Eingepackt in viele Schichten mit jeweils 10 Sandwiches im Rucksack wanderten wir mal im Gänsemarsch und mal Kilometer voneinander entfernt Richtung Trolltunga.

5 Stunden später waren wir auch schon angekommen und nicht enttäuscht von dem, was sich da vor uns bot. Doch zugegeben, jede Aussicht während der ganzen Wanderung konnte mit dieser hier mithalten. Hier bot sich einfach nur die beste Fotogelegenheit. Und das wusste jeder, was die Schlange zu dem berühmten Felsen ziemlich lange machte. Zwei Stunden steht man hier schon mal an, um sein Beweisfoto schießen zu können. Das machte uns allerdings nichts aus, denn wir konnten uns ausruhen und die Sonne, die genau zum richtigen Zeitpunkt vorbeischaute genießen. Außerdem war es sehr unterhaltsam mitanzusehen, was sich die Menschen für Posen ausdachten, um ja das beste Trolltunga-Foto zu schießen. Allerdings hatten wir alle keine Chance darauf, denn den Titel für das beste Foto an diesem Tag holte sich definitiv der Typ, der auf dem Fels plötzlich seinen Pullover auszog, ein Hemd darunter anhatte, einen Ring aus der Hosentasche holte und sich vor seiner Freundin niederkniete. Applaus brauch aus und kurz darauf streckte er schon triumphierend seine Faust in die Luft. Anscheinend hat sie "Ja" gesagt. 

Was mich am meisten begeisterte war, dass es hier keine Schilder oder Mitarbeiter gab und sich die wirklich lange Schlange von selbst bildet und von jedem respektiert wird. Das eine oder andere mal ruft vielleicht jemand "Come on!", wenn eine Gruppe nach zehn Fotos immer noch nicht fertig ist, doch trotzdem läuft alles sehr zivilisiert und geordnet ab.

Auch wir schossen unsere Fotos (mal näher am Abgrund, mal weiter entfernt) und machten uns dann auf den Weg zurück. Tatsächlich war das Bergabgehen um einiges anstrengender und wir waren alle froh, als wir nach fünf Stunden wieder flachen Asphalt unter unseren Füßen hatten. 

Abschließend kann ich nur sagen: Es hat sich so was von gelohnt! Man sollte sich definitiv gut vorbereiten, vielleicht etwas mehr schlafen als wir und das Wandern ein bisschen gewohnt sein - dann kann ich Trolltunga wirklich jedem empfehlen. Warm anziehen, genug Essen mitnehmen (eine Trinkflasche reicht, die man auf dem gesamten Weg in den Quellen auffüllen kann) und früh genug losgehen! 

Adiós und liebe Grüße,

Annika

Hier das dazu-gehörige Youtube-Video: https://www.youtube.com/watch?v=E6JsyuJ4bqM

Ich auf Trolltunga, so nah ich mich halt traute