Story von Carina Tiefenbacher

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Zielland Spanien
Geburtsdatum 17.08.2004
Kategorie
Europäisches Solidaritätskorps
Soziale Netzwerke

Carina Tiefenbacher, am 02.10.2023 um 15:37

sin miedo

sin miedo - The journey starts now.

sin miedo

Kindergarten, Schule, Matura und jetzt? Für mich war eigentlich immer schon klar, dass ich irgendwann einmal alleine ins Ausland will. Ich wollte nicht den von der Gesellschaft vorgeschriebenen Lebensweg gehen und habe mich sozusagen immer schon ein bisschen anders als die anderen gefühlt. Für mich war die Schule immer eher ein Hindernis, welches mich von meinen wirklichen Interessen hinderte. Nachdem ich letztes Jahr meine Matura bestanden habe, war mir zu 100% bewusst, dass ich nicht wie die meisten zum Studieren oder Arbeiten anfangen will, sondern mir erstmal ein Jahr für mich Zeit nehme, um mich besser kennenzulernen. Zudem wollte ich natürlich auch etwas Sinnvolles machen, denn nur zuhause herumliegen bringt mich sicher nicht weiter. Deshalb entschied ich mich für ein freiwilliges soziales Jahr im Ausland. Ich bin auf die Organisation ESC/ESK: European Solidarity Corps aufmerksam geworden. ESC ist ein von der EU gefördertes Projekt, indem man in ganz Europa verschiedenste Projekte zu den unterschiedlichsten Themen machen kann. Mir war es im Grunde genommen egal in welches Land ich gehe ich wollte einfach nur weg. Und dann war es so weit, zwei Wochen nach meinem Bewerbungsinterview wurde ich in Nordspanien, Santander, in einem Heim für Menschen mit mentaler Behinderung genommen.

Ich muss zugeben, dass ich mich nicht wirklich darauf vorbereitet hatte. Ich konnte weder die Sprache noch wusste ich viel über das Land oder die Kultur. Doch ich wollte mich eigentlich absichtlich ins kalte Wasser stoßen möchte, um eine Challenge im Leben zu haben und ich mich somit weiterentwickeln kann.

Für mich ging es dann am 5. September 2022 ganz allein nach Spanien. Vom Flughafen holte mich eine meiner Mitbewohnerinnen, Omnia, ab. Wir lebten zu fünft gemeinsam in einem kleinen Apartment in Santander. Mein Roomate und Work-Buddy Camilla lernte ich noch am selben Tag kennen. Sie kommt aus Italien und kam am Abend, genau wie ich, mit dem Flugzeug an. Ich war sehr aufgeregt und hoffte einfach darauf, dass wir uns alle verstehen. Doch diese Sorgen sollten unbegründet bleiben.

Die ersten 3 Monate waren für mich die schönsten. Alles neu, alles fremd. Ich erkundete gemeinsam mit Camilla die Umgebung. Auch vor meinem ersten Arbeitstag hatte ich großen Respekt. Ich habe zuvor noch nie etwas mit Menschen mit intellektueller Behinderung zu tun gehabt. Am schwierigstem für mich war aber dennoch der Einstieg mit Spanisch da niemand meiner Kolleginnen im Heim Englisch konnte. Ich war somit auf die Hilfe von Camilla angewiesen, sie verstand dank ihrem Italienisch die meisten Sachen und lernet die Sprache auch 10-mal schneller als ich.

Die Arbeit selbst war anfangs etwas überfordernd, doch ich würde sagen einer meiner besten Entscheidung. Ich konnte durch die Menschen dort so viel für mich selbst lernen. Sie freuen sich über jede Kleinigkeit und nehmen alles nicht so ernst.

Generell gesehen habe ich einen riesigen Unterschied zwischen Spanier und Österreich gemerkt. Obwohl das Einkommen und die Lebensqualität in Spanien geringer im Vergleich zu Österreich sind, war meiner Meinung nach die Freude am Leben um ein Vielfaches größer. Weniger ist mehr, und das stimmt mit Sicherheit. Ich lernte alle Sachen etwas mehr zu schätzen dank den vielen Erfahrungen, die ich machen durfte. Ich bin selbst in der Mittelschicht aufgewachsen und habe mich ehrlich gesagt nie so richtig damit auseinandergesetzt, wie dankbar ich sein kann für jede Kleinigkeit, die ich in meinem Leben besitze. Angefangen mit klarem, trinkbarem Wasser ohne, dass man es filtern muss oder ein eigenes Zimmer für sich zu haben. Diese Reise hat mich aufjedenfall wieder ein bisschen auf den Boden gebracht und mich die wichtigen Dinge im Leben sehen lassen. Und dafür bin ich unendlich dankbar.

Die Spanier selbst sind so ein liebes, offenes und hilfsbereites Volk. Selbst mit meinem mickrigem Spanisch haben sie mich immer herzlich aufgenommen und mit Händen und Füßen versucht mir zu helfen.

Ich muss ehrlicherweise auch zugeben, dass es mir nicht immer super ging. Ich hatte auch meine Tiefpunkte. Gerade nach den ersten 3 Monaten habe ich mich manchmal einsam gefühlt oder fehl am Platz. Es ist überhaupt nicht einfach wenn man die Einzige am Tisch ist, die kein Spanisch kann und alle anderen reden miteinander und man selbst würde sich gerne am Gespräch beteiligen doch kommt gerade einmal damit zurecht die anderen nur ein bisschen zu verstehen. Selbst mit Camilla war es manchmal schwer mich auf Englisch genauso auszudrücken oder Sachen nachzuvollziehen wie auf Deutsch.

Doch Camilla hat mir durch diese Zeit geholfen. Sie war immer für mich da und für mich ist sie so etwas wie eine Seelenverwandte. Wir hatten viel gemeinsam, unsere Familienverhältnisse unsere Einstellung zum Leben und unsere Wertvorstellungen. Ich hätte nicht gedacht jemals eine so gute Freundin finden zu dürfen.

Durch unsere Organisation durften wir Mitte November auf unser Mid-Term Training in Malaga. Dort kamen alle Volunteers die gerade in Spanien ein Projekt haben zusammen, um sich kennenzulernen und Erfahrungen auszutauschen. Dort lernte ich einige interessante Personen von der ganzen Welt kennen und die ein oder andere Freundschaft entstand.

Mitte März entschieden Camilla, Lennard, Elia und ich unseren Urlaub gemeinsam als Roadtrip durch Portugal zu machen. Lennard aus Deutschland und Eila aus Italien, lernten wir bei dem Mid-Term-Training kennen und obwohl wir uns erst 1-mal in unserem Leben gesehen haben wussten wir, dass diese Gruppe perfekt für den Roadtrip ist.

Es war unglaublich schön wir durften so viel Erinnerungen schaffen. Ich fühlte mich zum ersten Mal im Leben frei und unabhängig. Mit Lennards Auto fuhren wir die Küste entlang von Porto nach Lissabon, Lagos, Faro, Sevilla und Granada. Alles innerhalb von zwölf Tagen. Ich hätte mir keine bessere Gruppe für diesen Trip vorstellen können.

Ich wollte auch all diese Erinnerungen, Erlebnisse & Gefühle festhalten. Deshalb habe ich als begeisterte Fotografin und Vloggerin versucht so viel wie möglich von den Momenten auf Kamera festzuhalten. Und habe somit ein Foto Projekt „sin miedo“- „ohne Furcht“ gestartet. Ich durfte dadurch sogar in Spanien meine erste Vernissage halten und 2 Monate darauf in meine Reise auch den Leuten in Österreich näherbringen.

Außerdem habe ich einige Videos zu meinen Erfahrungen und zum Portugal Roadtrip auf YouTube geteilt und Tagebuch geschrieben, um nichts zu vergessen und die Zeit für immer festzuhalten.

Ich kann eigentlich nur danke sagen. Danke, dass ich damals auf mein Bauchgefühl gehört habe und mich entschieden habe ein Auslands Jahr zu machen. Danke an alle Menschen, die mich inspirierten und mich pushten, um weiterzumachen. Danke an mein Heim für die unglaublichen Momente durch die ich als Mensch wachsen durfte. Danke an Camilla für ihre Unterstützung auf der ganzen Reise und ihre Freundschaft. Danke.

Sin miedo- ohne Furcht. Es bedeutet seine Ängste zu überwinden, ein Risiko im Leben zu wagen und die Welt zu erkunden. Diese Erfahrung hat mein Leben verändert – ich durfte unglaublich inspirierende Personen und verschiedene Kulturen kennenlernen. Es hat mir gezeigt, dass es nicht nur einen Weg im Leben gibt und dass man für sich selbst und sein eigenes Leben entscheiden muss. Man lebt für sich und nicht für andere – also mach was auch immer dein Herz will, ohne an die Meinung anderer zu denken.

sin miedo.

Bilder aus Santander, Spanien