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Story von Carolin Oberleiter

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Zielland Niederländische Antillen
Geburtsdatum 09.07.1999
Kategorie
Studierende/r
Soziale Netzwerke

Carolin Oberleiter, am 09.11.2020 um 19:25

Die Abreise - Ein schwerer Abschied

Part 3

Wir schreiben den 26. Januar 2020. Alle erdenklichen Vorbereitungen waren getroffen. Von meiner Familie hatte ich mich bereits bei meinem letzten Südtirol-Besuch verabschiedet. Aber war ich deshalb bereit? Wenn ich ehrlich bin: Kein bisschen. Wenn ich ehrlich bin, dann flossen jeden Abend Tränen, 2 Monate lang, vielleicht auch länger. Um das zu verstehen muss man wissen, dass mein Freund und ich nun seit 2 Jahren in Wien zusammenleben. Im November 2018 war er für mich ebenfalls von Südtirol nach Wien gezogen. Er war uns ist alles für mich und es tat mir jeden Tag im Herzen weh, ihn für ein halbes Jahr zurücklassen zu müssen. 

Ich verfasste einen Brief. Am Tag meiner Abreise musste mein Freund nämlich arbeiten, sodass ich mich nicht einmal richtig verabschieden konnte. Und vielleicht war es auch besser so. Der größte Koffer den wir besaßen stand schon seit dem Vortag im Eingangsbereich der Wohnung bereit. Auch auf ihm lag ein Brief, diesmal an mich - zwei Herzen, ein Gedanke. Ich kann mich nicht mehr genau daran erinnern, ob ich den Brief mitgenommen oder dort habe liegen lassen. Dann verließ ich unter Tränen die Wohnung. In einer kuscheligen, gelben Winterjacke. Allein. Zwei kleine Schutzengel im Gepäck. 

Meine Freundin und Mitreisende nahm mich am Flughafen in den Arm. Wieder flossen Tränen. Die ganze Situation schien mir so surreal. Heute ist mir Eines ganz klar: Man kann sich nicht auf so eine Erfahrung „vorbereiten“. Zumindest nicht zu 100%. Ich konnte es nicht, obwohl ich es versucht hatte, monatelang. In manchen Momenten hätte ich am liebsten mit jedem getauscht, der zuhause bleiben durfte. In manchen Momenten warf ich mir innerlich sogar vor, ich sei undankbar, weil ich mich nicht auf die Reise freuen konnte, obwohl mir das Leben eine so einmalige Chance bot. Es war schwer. Sehr schwer.

Ja, ich würde sogar sagen, dass eine gewisse Last von meinen Schultern fiel, als ich endlich in diesem Flieger saß. Aber auch zu diesem Zeitpunkt war ich nicht bereit. Und ich habe gelernt, dass es okay ist. Es ist okay, „ein kleines bisschen nicht bereit“ dafür zu sein. Es ist okay, seine Lieben zu vermissen, zu weinen. Es ist sogar okay, sich nicht darauf zu freuen, dass der Flieger abhebt. In eine ganz neue Welt. Das Wichtigste ist, zur rechten Zeit über seinen Schatten springt. Nur so kann man wachsen. 

Vielleicht fällt es einigen von Euch leicht, diesen Schritt zu tun. Vielleicht bist Du, der das gerade liest aber auch ein bisschen so wie ich. Dann lass Dir gesagt sein: So eine Erfahrung ist wirklich einzigartig und wenn Du die Möglichkeit dazu hast, wenn du dich dafür entscheiden kannst, sie zu machen, dann gib Dir einen Ruck. Du hast es in der Hand. Und dieses Privileg haben nicht viele.  

Egal, ob sie Euch leichtfällt oder nicht, Ihr werdet die Entscheidung nicht bereuen, genauso wie ich es nicht bereut habe. Egal wohin Ihr geht und egal für wie lange. Wichtig ist, DASS Ihr es macht und den Mut findet, diese Erfahrungen zuzulassen.

Portugal - New York – Aruba. Das war‘s jetzt also, ging es mir durch den Kopf. Nun gab es kein Zurück mehr.