Ich bin sehbehindert, und vielleicht war es genau das, was diese Reise nach Bologna und Ancona für mich so besonders gemacht hat. Ende August flog ich mit meiner Gruppe von Wien nach Italien, voller Neugier und Spannung, was uns erwarten würde. Schon bei der Ankunft im traditionsreichen Istituto Cavazza in Bologna spürte ich, dass diese Tage nicht einfach eine Reise, sondern ein Erlebnis werden würden, das ich nie vergessen werde.
Das erste Highlight war für mich das Kirchenensemble Santo Stefano. Während andere Besucher:innen die Fassaden bestaunen, war es für mich ein Abenteuer, die Mauern zu ertasten, die unterschiedlichen Strukturen zu fühlen und mir die Geschichte durch Worte und durch meine Hände zu erschließen. Ich habe gelernt: Geschichte ist nicht nur sichtbar, sie ist spürbar.
Besonders tief bewegt hat mich das Museo Anteros. Dort durfte ich erleben, was es heißt, mit den Händen zu sehen. Unter der einfühlsamen Führung von Prof. Loretta Secchi ertastete ich Reliefs von Gemälden, verstand plötzlich, wie Perspektive und Tiefe sich körperlich anfühlen können, und wie Farben durch Strukturen lebendig werden. Dieser Moment hat mir gezeigt, dass Kunst nicht nur etwas ist, das man anschaut, sondern etwas, das man erfahren kann – ganz direkt, ganz unmittelbar.
In Ancona, im Museo Omero, setzte sich dieses Erlebnis fort. Zwischen antiken Skulpturen und moderner Kunst war ich umgeben von Werken, die nicht hinter Glas versteckt waren, sondern die ich berühren durfte. Es war für mich eine völlig neue Freiheit: Kunst nicht nur erahnen, sondern wirklich begreifen. Der Kontrast zwischen einer glatten Marmorstatue und einer rauen zeitgenössischen Oberfläche hat mein Verständnis von Kultur nachhaltig verändert.
Natürlich war es nicht nur das Programm, das mich geprägt hat. Auch die Gespräche bei den gemeinsamen Abendessen, das Lachen in der Gruppe und der Austausch über unsere Erfahrungen machten diese Reise zu etwas Einzigartigem. Erasmus+ bedeutete für mich hier nicht nur Lernen, sondern Teilhabe – ganz konkret, ganz lebendig.
Zurück in Wien spüre ich, wie viel mir diese Tage gebracht haben. Ich habe neue kulturelle Horizonte kennengelernt, aber auch persönliche Fähigkeiten gestärkt: offener auf andere zuzugehen, mutiger über meine Sicht der Dinge zu sprechen und selbstbewusster meine Perspektive als sehbehinderter Mensch einzubringen. Erasmus+ hat mir gezeigt, dass Inklusion keine Theorie ist, sondern etwas, das man erleben und gestalten kann.
Meine Reise nach Bologna und Ancona war für mich ein Beweis dafür, dass Barrieren überwunden werden können, wenn man Räume schafft, in denen Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten gleichberechtigt teilnehmen. Und sie war für mich eine Erinnerung daran, dass Lernen nie endet – vor allem dann nicht, wenn man die Welt nicht nur sieht, sondern sie wirklich mit allen Sinnen erfährt.