Während oder nach der Schulzeit im Ausland zu leben, war für mich seit jeher eine Wunschvorstellung. Interkulturelle Erfahrungen, das weiß man, sind ja für vieles nützlich - Lebenslauf, Stärkung einer humanistisch - akzeptanzorientierten Haltung, Erlernen einer Fremdsprache, Resonanzerfahrungen, wenn man sich selbst als Teil in einem weltumspannenden Geschehen begreift - währenddessen sind keine unzumutbaren Herausforderungen zu erwarten. Ergo: Eine gute Kosten-Nutzen-Bilanz!
Jene, die einen solchen Aufenthalt schon einmal absolviert haben, wissen, dass unter den Top 3 der gestellten Fragen immer jene ist, die sich nach dem Ursprung der Ortswahl erkundigt. Spanien. Wieso Spanien? Naja…wie das schon klingt! Südländisch, leicht, verspielt, intense, vielversprechend. Ob meine spanischen Vorstellungen durch Primetime-Movies, Urlaubserzählungen oder aus der Melodie der Sprache genährt und Spanien so zum Sehnsuchtsort auserkoren wurde, weiß ich nicht. Ich selbst war vor meinem 20 Lebensjahr weder in Spanien selbst, noch in Italien oder Frankreich gewesen und hatte wohl weitgehend stereotypische Vorstellungen.
Als ich durch einen Freund im „4YOUgend“ Office in Linz bei Susanne Rossmann landete, wurde es augenblicklich konkret und nach einer intensiven Phase des Engagements entsandte ich die ersten Bewerbungen für ESK Projekte - allesamt situiert in Malaga. Ich wiederhole mich an dieser Stelle: Wie das schon klingt!! MALAGA. Das kann man sich schon auf der Zunge zergehen lassen. Schon vor jeglicher Zusage schloss ich ein Babbel-Abo ab und begann ehrgeizig mit den ersten Lernlektionen. Sieben Bewerbungen und zwei Interviews später, tatsächlich eine Zusage. Für mich unglaublich, ja unfassbar! Ich war überglücklich. Oft sind es an die 100 Bewerber, gerade bei städtischen, beliebten Ausschreibungen. Ein Jahr später, im Oktober 2021 sollte das Projekt beginnen, es gab Schwierigkeiten seitens der spanischen Organisation, auf unbestimmte Zeit verschoben, vielleicht Abbruch. Die zweite Freiwillige und zukünftige Arbeitskollegin sagte das Projekt ab, suchte und fand ein neues in Frankreich. Ich warte, inskribierte mich für Musikwissenschaften in Wien und flog nach Malaga. Im Dezember, ich war in der Prüfungsvorbereitungphase - und dank ermöglichtem Onlineunterricht - in einem Apartment in Nerja, kam die Zusage - das Projekt wurde letzten Endes bewilligt.
Im Februar zog ich in den dritten Stocks jenes Apartments, dass ich fünf Monate später schweren Herzens wieder verlassen sollte. Am meisten liebgewonnen habe ich die spanische Kultur. Überraschenderweise war diese gar nicht so abweichend von meiner romantisch - verklärten Spanien-Fantasie. Andalusische Frauen sind deutlich, emanzipiert, laut. Sie haben ein besonderes Selbstverständnis für ihre Stimme und gutes Körpergefühl. In den Diskos wird richtig getanzt, die Menschen hier sind weniger verlegen um sich und soziale Interaktionen. Die Leute berühren sich am Arm, wenn sie miteinander reden, irgendwie sehr herzlich und angstfrei. Ein gutes Spannungsgefüge aus Verbundenheit und Integrität. Auf den Spielplätzen gibt es eine richtige Community, generationenübergreifende Freundschaften, Großfamilien sind alltäglicher als in Mittel- und Nordeuropa. Weniger Individualismus, mehr Kollektivismus.
Meine Learning experiences waren fast allesamt persönlicher Natur. (Neben dem Erlernen der Sprache - sí, ahora hablo español!) Die südeuropäische Selbstbestimmtheit wurde mir zum Vorbild. Ich versuchte Proaktivität und Verantwortungsbewusstsein zu kultivieren, wobei quasi allein woanders zu leben eh eine gute Ausgangslage für dieses Vorhaben ist. Außerdem lernt man zwar im Lauf der Lebenszeit immer dazu, aber neuropsychologisch betrachtet lernt das Gehirn dann am schnellsten, wenn man sich in herausfordernden, teilweise überfordernden Umständen befindet. Und die kommen auch dann eher zustande, wenn man aus der Komfortzone tritt. Auch gibt es mehr neue Situationen, aus denen man Selbsterkenntnis ziehen kann. Ganz konkret konnte ich meinen pragmatischen Zugang stärken. So wurde nach emotional herausfordernden Situationen immer ein Notizblöckchen gezückt und im Sinne des derzeitigen pädagogischen Forschungsstandes ein analytisch-formatives Feedback durchgeführt: Was machte ich gut? Was ist ausbaufähig? Diese zwei Fragen dienten als Anhaltspunkt, konnten die emotionalen Wogen glätten und Besonnenheit walten lassen.
Ich will die Erfahrung nicht missen, bin sehr stolz auf mein erreichtes Spanisch-Level und dass ich mir viele einheimische Freunde machte. Ich vermisse Malaga nicht direkt aber manchmal zieht sich meine Brust in Wehmut zusammen und irgendwann gründe ich eine Familie in Spanien, falls sich der passende Mann findet, mal schauen. Ich studiere jetzt auch spanisch.