Story von Evelyn Kaindl-Ranzinger

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Zielland Irland
Geburtsdatum 09.01.1964
Kategorie
Erwachsenenbildung
Soziale Netzwerke

Evelyn Kaindl-Ranzinger, am 01.11.2022 um 22:09

Zwischen Kobolden, Selbstfindung und Weltkultur

Das einst arme Irland ist zu einer selbstbewussten Nation geworden. Seine Geschichten und seine Magie hat es bewahrt. Diese zu entdecken war unser Ziel.

Die Wartezeit auf den Start meiner Mobilität im Rahmen des Projektes „Storytelling - Wirkung mit Methode“ war nicht nur gefühlt eine halbe Ewigkeit lang: als Projektleiterin des Konsortiums hatte ich im Februar 2020 den Antrag abgeschickt, die Projektzusage kam zwischen Lockdown 1 und 2 und lieferte gleich das Angebot einer Startverschiebung mit. Doch auch der verschobene Starttermin am 1. Dezember 2020 war bloß Theorie. Unser Konsortium aus Museen und Bibliothekseinrichtungen hatte in den eigenen Häusern mit reichlich Herausforderungen zu kämpfen, auch unsere Zielpartner, teils unterwegs ausgestiegen, sahen sich nicht imstande, Gäste aufzunehmen. Die Kroatischen Partner hatten nicht bloß mit der Pandemie sondern auch mit Zerstörungen nach den winterlichen Erdbeben zu kämpfen. So vergingen die Monate, bis wir uns im Frühling 2022 endgültig entschlossen, die Sache durchzuziehen. Mit gewaltigem organisatorischem und motivatorischem Aufwand. Sowohl unsere Konsortiumspartner*innen als auch die potentiellen Zielpartner waren noch in der Corona-Schockstarre, zumindest was Reiseaktivitäten betraf. Aber das änderte sich rasant nach ersten Online-Meetings mit einer Vorstellung, wo überall Partner - die vorab überzeugt wurden - warten und mit erstem „persönlichen“ Kennenlernen und der Formation erster Reisegrüppchen.

Mich selbst musste ich gar nicht motivieren. Die Vorfreude hatte lange genug Zeit gehabt, sich zu entfalten. Auch wenn die Zielpartner (ich hatte sie ja Großteils ganz bewusst im Sinne der Projektidee selbst ausgewählt) allesamt einfach großartig waren, fiel meine Wahl doch recht rasch auf das Land der Märchen, Sagen, Geschichten, Kobolde und Feen. Zumal unser Gastgeber da eine besondere Expertise aufweist: das Leprechaun-Museum in Dublin lebt in unterschiedlichsten Facetten die Erzählkunst, die das immaterielle Kulturerbe Irlands lebendig werden lässt und vermittelbar macht. Übrigens: Leprechauns sind kleine grüne Männchen, mal gut mal böse, die sich allenthalben in Irland herumtreiben (sollen) und repräsentativ für die Anderswelt stehen, die in unsere Welt hereinwirkt.

Tom, der Leiter des Museums, unser Gastgeber, bereitete uns aber auch den Weg in mehrere andere Museen. Das Miteinander in der Stadt ist ein besonders gutes.

Wir hatten in der Vorbereitung zu unserer Reise - und mit „wir“ meine ich zwei mir davor nur vom Namen her bekannte Kolleginnen aus Wien und Bregenz und mich - in mehreren Online-Meetings mit Tom besprochen, welche Ziele wir verfolgen, was uns besonders interessiert und mit wem wir gerne sprechen möchten um all unsere Fragen zu stellen. Tom hat uns dann schon vor unserer Abreise eine detaillierten Zeitplan zukommen lassen, wo wir uns mit wem treffen werden. Perfekt vorbereitet und perfekt gelungen.

Der erste spezielle Erfolg der Reise ist für mich der Gewinn einer Freundschaft zu zwei großartigen Kolleginnen, die ähnlich „ticken“ wie ich, und mit denen auch in Zukunft noch vieles geteilt werden wird. Die nächste gemeinsame Vernetzungsreise ist schon grob in Planung.

Zwei Museen bleiben zu unserem Thema in außergewöhnlicher Erinnerung: das „Little Museum of Dublin“, eine Charity, die mit Schauspieler*innen und Ehrenamtlichen unter starker Bürger*innenbeteiligung ein Haus zur Geschichte der Stadt aufgebaut hat und betreibt. In einer Mischung aus geführter Tour, partizipativem Schauspiel und autonomer Begehung erfährt man hier, wie und warum Dublin zu der Stadt geworden ist, die sie heute ist. Jede einzelne Geschichte, begleitet von teils sehr skurillen, überraschenden Objekten bleibt unvermeidlich im Gedächtnis hängen - und wenn man das Haus verlässt, hat man sich ebenso unvermeidlich in die Stadt verliebt, fühlt sich vertraut. Die kompositorische, interpretatorische und vermittlerische Leistung der Beteiligten ist immens. Learning: Museum kann auch verkehrt herum angelegt sein: Objekt als Begleitung der Geschichte. Dann funktionieren auch unerwartete Objekte hervorragend.

Das Team und die Gestalter*innen des erst 2019 eröffnete „MoLI Museum of Literature Ireland“ schaffen es, in apersonaler Vermittlung und starker Szenografie das schwierige Thema Literatur ohne Buchstabenwälder und Wortsalat sehr emotional und schlüssig zu vermitteln. Besonderes Augenmerk wird natürlich auf die Zweisprachigkeit als zentrales Element irischer Identität gelegt. Learning: Wir brauchen mehr Mut zu Storytelling durch kompetente Szenografie!

Neben dem Inhaltlichen gab es einen bedeutenden Effekt für mich, den ich sehr gezielt herbeigeführt habe: nachdem wir uns in Zukunft immer mehr mit Nachhaltigkeit auseinandersetzen werden, fiel sehr rasch der Entschluss, die Reise mit dem Zug zu machen - übrigens wir alle drei, jede aus einem anderen Eck. Interrail-Tickets gibt es ja auch für „Erwachsene“ und die nötige zusätzliche Zeit konnte ich mit etwas Planung auch aufbringen. Einzig die doch erheblich höheren Reisekosten musste ich dafür in Kauf nehmen, immer darauf hoffend, dass sich hier in naher Zukunft doch etwas zugunsten des ökologisch vertretbareren Reiseform bewegen wird.

Graz-Zürich-Basel-Paris-London-Chester-Holyhead-Dublin war der Hinweg in netto 27 Reisestunden (42 Stunden inkl. Nächtigung).

Zurück habe ich dann ganz privat die geniale Chance des Unterbrechens genützt: netto ca. 28 Stunden, ein Tag in Cardiff (weitere 2 Museen und die multifunktionale Zentralbibliothek) und ein Tag London (ein Museum und eine Sozialstudie vor Megaleinwänden im Hydepark bei der Überführung der Tage zuvor verstorbenen Queen). Die Erfahrung daraus: Nütz Gelegenheiten, wenn sie sich bieten. Präsent sein, Augen auf and let’s make memories for our lifetime.

Danke ERASMUS+ für solche Chancen!

Von Geschichten inspiriert selbst zum Kobold werden - das wär's!