Für mich war schon immer klar, dass ich mein Praktikum im Ausland absolvieren möchte. Doch in welchem Land? Bei welchem Betrieb und wie sollte ich das alleine organisieren? Glücklicherweise unterstützte meine Schule mich und meine Mitschüler und lud die Landjugend ein, welche uns den gesamten Weg unseres Praktikums begleiteten. Über die Landjugend bekamen wir die Erasmus+ Förderung, es wurde Kontakt mit Partnerorganisationen aufgenommen und auf unsere Wünsche eingegangen. Für jeden wurde die perfekte Familie gesucht. Auch als die Reise endlich begonnen hatte, fühlte ich mich nie allein gelassen und konnte mich bei Fragen an die Organisation wenden.
Der Betrieb
Im Juni konnte die Reise endlich losgehen. Voller Vorfreude stieg ich in den Flieger und konnte kaum erwarten mich in dieses neue Abenteuer zu stürzen. Eine neues Land zu bereisen, eine neue Kultur kennen zu lernen und Freunde im Ausland zu gewinnen.
Am Flughafen angekommen, machte ich mich auf den Weg zu meinem Betrieb. Mein Betrieb befand sich im Osten Irlands im County Meath. Meine Umgebung war Großteils sehr flach und das Landschaftsbild zierten riesige Wiesen, Hecken an den Straßenrändern der engen Straßen und einige riesige Betriebe.
Auch mein Betrieb war sehr groß. Gerry Flynn und sein Bruder Dermond Flynn haben ca. 300 Milchkühe und insgesamt über 1000 Stück Vieh. Die Tiere verbringen fast das ganze Jahr auf den Weiden, nur in den Wintermonaten werden sie in die Stallungen gebracht.
Wobei die Milchkühe in unmittelbarer Stallnähe grasen, um sie morgens und abends melken zu können, sind die jüngeren Tiere meist auf zu gepachteten Flächen einige Kilometer vom eigentlichen Betrieb entfernt.
Helfende Hände
Der Betrieb wird von den beiden Brüdern geführt. Natürlich ist es jedoch nicht möglich einen so großen Betrieb ohne Hilfe zu bewirtschaften. Daher haben sie ein paar Angestellte, die ihnen gerne unter die Arme greifen. Dermonds Frau Mischelle ist für die Melkarbeiten zuständig, zusammen mit ihrer Tochter Annmarie oder mir erledigte sie am Morgen sowie am Abend die Melkarbeiten. Eine weitere Angestellte ist für die Büroarbeiten und das Weiden der Tiere verantwortlich. Außerdem versuchen sie fast das ganze Jahr Praktikanten zu haben, die ihnen bei verschiedenen Arbeiten helfen können. In den Sommermonaten arbeitet weiters eine Studentin am Hof. Eine große Hilfe sind außerdem die Kinder. Vor allem Dermonds Kinder waren fast täglich auf dem Betrieb und erledigten zusammen mit Freunden viele Arbeiten.
Neben Angestellten am Betrieb selbst gibt es noch Arbeiter, die die Tiere auf weit entfernten Flächen beobachten. Und natürlich Lohnunternehmen, die bei der Ernte helfen.
Auf dem Betrieb herrschte ein sehr angenehmes Arbeitsklima. Es wurde viel gelacht und ich wurde bereits in meinen ersten Wochen in den Alltag eingegliedert. Mit vielen Angestellten entwickelten sich echte Freundschaften.
Meine Haupttätigkeiten
Meine Haupttätigkeiten lagen vor allem im zuvor bereits erwähnten Melken und im Weiden der Kälber. Die Kälber verbringen wie auch die Kühe fast das ganze Jahr auf den Weiden. Neben dem frischen Gras bekommen sie täglich etwas Futter. Das Futter basiert auf Mais. Meine Aufgabe war es nun Eimer mit dem Futter zu befüllen und mit einem RTV zu den jeweiligen Kälbern zu bringen. Die Kälber auf den Weiden mussten nicht nur gefüttert werden, sondern auch gezählt und auf die Gesundheit kontrolliert werden. Ich zählte also die Kälber, beobachtete, ob alle Fressen, ob ein Kalb Verletzungen aufweist, lahmt oder sich abseits von der Herde befindet. Bei Auffälligkeiten berichtete ich Gerry.
Je nach Zustand wurden die Kälber dann medizinisch behandelt oder zurück auf den Hof gebracht, um dort mit Milch wieder aufgepäppelt zu werden.
Auch die Melkarbeiten nahmen einen großen Teil des Tages in Anspruch. Gemolken wurde in einem Swing-over Melkstand mit 14 Kühen pro Seite. Durch das Konzept des Melkstandes wird fast immer gemolken und es ergeben sich kaum Wartezeiten. Der Melkstand selbst war sehr einfach aufgebaut, es gab kaum Elektronik und auch die Hygiene wurde nicht so ernst wie in Österreich genommen. Auch das Kraftfutter, welches die Kühe während des Melkens bekommen muss, per Hand gefüttert werden.
Die Melkarbeiten selbst dauerten ca. 2 ½ Stunden. Mit Vorbereitung und Nacharbeiten wurden jedoch pro Mahlzeit mehr als 3 Stunden benötigt. Für die Familie ist dies noch zu langsam, daher werden sie versuchen ihren Melkstand in den nächsten Jahren zu optimieren und vielleicht auf ein Karussell umzubauen.
Freizeitgestaltung
Ich hatte pro Woche zwei freie Tage, die ich mir selbst einteilen konnte. Da meine Host-Familie sehr flexible war konnte ich oft zusammen mit meinen Freunden, welche auch ein Praktikum in Irland absolvierten, die Insel bereisen. Irland ist wunderschön und bietet unzählige Orte, die ganz oben auf deiner Bucket List stehen sollten. Eine Klippenwanderung in Howth, Giants Causeway oder eine Bootstour in Dingle waren nur wenige meiner Highlights.
Bei der Summertour konnten wir zusammen mit anderen Praktikanten, die Teil der Organisation waren auf eine dreitägige Reise in den Westen Irlands fahren. Zusammen schlenderten wir durch Galway, tauschten unsere Geschichten aus und schlossen neue Freundschaften. Weiter ging es dann zu den Cliffs of Moher, einigen Abbeys und ans Meer. Es war schön die Möglichkeit zu haben, andere Praktikanten kennenzulernen und Orte in Irland zu besuchen, die man sonst vielleicht nie gesehen hätte.
Reflexion
Ich möchte gleich anfangs sagen, dass mir das Praktikum sehr gut gefallen hat. Ich konnte sehr viel für mich lernen, konnte in die Kultur eines anderen Landes eintauchen und hatte die Möglichkeit Irland zu bereisen. Natürlich hatte mein Aufenthalt auch manche Tiefen. Momente, wo ich mir dachte, warum mach ich das eigentlich. Aber ich glaube diese Momente gibt es überall. Auf jedem Betrieb bei jedem Praktikum. Was es nicht überall gibt sind die Erfahrungen, die ich mitnehmen konnte. Freundschaften in anderen Ländern zu knüpfen, eine zweite Familie zu finden und ein Land von einer ganz anderen Seite kennen zu lernen. Landwirtschaft aus einem ganz anderen Blickwinkel zu sehen. Ich habe mein Praktikum, die schwere Arbeit, das viele Lachen und die unzähligen unvergesslichen Momente sehr genossen und bin so froh mich getraut zu haben den Schritt zu wagen und ins Ausland zu gehen.
Ich kann es jedem nur weiterempfehlen. Man sollte diese Chance nutzen, wenn man sie bekommt.
Danke fürs Lesen und vielleicht bis zum nächsten Mal.
Hannah