Fangen wir ganz am Anfang an:
316 Tage vor Erasmus
Es ist November 2022, und während ich meine Wohnung sauge, unterbricht eine Benachrichtigung meine Spotify-Playlist. Ich greife nach meinem Handy und entdecke eine neue E-Mail. Der Absender: Curaçao Dolphin Therapy Center (CDTC). Vor einer Woche hatte ich ein Online-Bewerbungsgespräch für eine Praktikumsstelle in ihrem Therapiezentrum für Menschen mit Beeinträchtigung in der Karibik – die perfekte Gelegenheit für ein Graduiertenpraktikum als Logopädin. Als ich die E-Mail öffne, lese ich:
„We have positive news for you! Will you be able to join us as one of the assistants in our team at the CDTC at the end of 2023?”
Start von Erasmus
Spulen wir fast ein Jahr vorwärts zum 29. September 2023 – dem Tag, an dem ich mich für drei Monate von meinem Leben in Österreich verabschiede. Am Flughafen werfe ich einen letzten Blick auf Salzburg, bevor ich meinen Flug nach Amsterdam und dann nach Curaçao antrete. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, ich hätte keine Angst, als ich auf dem Weg dorthin bin. Ich fliege schließlich ans andere Ende der Welt! Dass ich dort so gar nicht einsam sein werde, weiß ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
Ungefähr 10 Stunden später steige ich aus dem Flugzeug aus und werde erst einmal von 30°C, gefühlt 100% Luftfeuchtigkeit (waren dann nur 85%, wie sich herausstellte) und 90 dB lauter Salsa-Musik erschlagen. Zum Glück werde ich abgeholt und komme bald in meinem neuen Zuhause an, welches uns das CDTC bereitstellt – ein Boot. Es ist zwar ein „gestrandetes Boot“ auf festem Boden, aber ich würde mein Zimmer trotzdem eher als Kajüte und etwas renovierungsbedürftig bezeichnen. Ein Traum ist jedoch der Weg zur Arbeit, der insgesamt nur 2 Minuten dauert.
Nachdem ich in den ersten 2 Tagen die anderen 5 Praktikantinnen kennenlernen durfte und einige Stunden am Strand und im karibischen Meer verbringe, springen wir nun zum 2. Oktober – meinem ersten Arbeitstag.
Ein bisschen verloren stehe ich mit meinem neuen Arbeitsshirt, kurzen Shorts und Flip-Flops (ich hatte genau 3 Mal geschlossene Schuhe an während dieser Zeit) im Hauptraum des Therapiezentrums und lasse mir das System des CDTCs erklären. Es gibt immer ein festes Team für einen Zeitraum von zwei Wochen. Dieses besteht aus: Therapist, Assistant, Dolphin Trainer und Patient. Pro Tag gibt es zwei Stunden Therapie pro Patient*in, die sich aus Therapiezeit mit den Delfinen im Wasser und Therapie in den Räumlichkeiten des CDTCs zusammensetzt. Die Assistants, wie wir vom CDTC genannt werden, haben dabei die unterschiedlichsten Aufgaben. Von eigenen Therapieeinheiten bis Matten schrubben ist alles dabei.
Die Arbeit im CDTC
Eine Stunde später lerne ich meinen ersten Patienten und dessen Familie kennen und schließe sie direkt ins Herz. Ich arbeite in diesem Team zusammen mit einer Psychologin, was mir ermöglicht, über den logopädischen Aspekt hinauszublicken und andere Perspektiven erkennen zu können. Am nächsten Tag kommt unser kleiner Patient schon mit einem Strahlen ins Therapiezentrum und nach einer weiteren Woche sehen wir bereits erste Fortschritte in der Sprachentwicklung und der Reizverarbeitung. Ähnliche Erfahrungen mache ich auch in den kommenden 3 Monaten und lerne viel in anderen Therapiebereichen wie auch Physio- oder Ergotherapie dazu.
Dushi Korsou
„Dushi“ ist ein Wort in Papiamentu, das so viele schöne Dinge bedeutet. Schön, süß und sexy sind nur 3 von vielen. Und genau das beschreibt Curaçao – die Insel ist all das und noch viel mehr. Wenn mich jetzt jemand fragt, ob ich eine Lieblingserfahrung habe, muss ich jedes Mal nach langem Überlegen den Kopf schütteln. Es ist unmöglich sich zu entscheiden. Curaçao hat für alle etwas: Schnorcheln oder Tauchen mit wilden Schildkröten oder Delfinen im kristallklaren Wasser, barfuß feiern am Mambo Beach, essen in der Hauptstadt Willemstad, faulenzen am Strand oder eine Wanderung auf den Christoffelberg (ja, das war eins der 3 Ereignisse mit festem Schuhwerk) – sogar Weihnachtsmärkte im Dezember. Curaçao has it all und alles davon ist „Dushi“.
Viel lernen konnte ich nicht nur im Praktikum, sondern auch von den Menschen und der Insel selbst. Die Atmosphäre ist um einiges gelassener als in Österreich und das Leben allgemein einfacher gehalten. Ein „After Work Swim“ gehört quasi zu unserem Praktikumsalltag dazu, egal wie spät wir unsere Arbeit beenden und die „Happy Hour“ am Mambo Beach dauert von 17 bis 24 Uhr.
Nach Erasmus
Von 30°C Sonne, Sommer, Sonnenschein ins -6°C kalte Österreich zu fliegen ist genauso unangenehm, wie es sich anhört. Ich versuche mich wieder an alles zu gewöhnen und erledige noch die letzten Erasmus-Angelegenheiten – der ganze Prozess war von Anfang bis zum Ende sehr unkompliziert und ich fühlte mich gut unterstützt. Ich gehe in dieser Zeit mindestens einmal pro Tag in meine Galerie und meine „Curaçao Playlist“ und wünsche mir ein Flugzeug zurück ins Paradies.
Es ist nun September 2024, und fast ein Jahr ist vergangen, seit ich geflogen bin. Von dieser Zeit bleiben mir Erinnerungen und Freunde fürs Leben. Curaçao – ich komme zurück!