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Story von Romana Zeitlhofer

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Zielland Finnland
Geburtsdatum 26.12.2002
Kategorie
Schüler/in
Soziale Netzwerke

Romana Zeitlhofer, am 03.11.2020 um 09:56

Drei Monate Praktikum und ein wehmütiger Abschied

Meine wundervolle Zeit in Finnland!

Herbstanfang bis Ende Praktikum

Mit Beginn meiner zweiten Praktikumshälfte endete auch der Sommer in Finnland und der Herbst zog ins Land.

Das tat der Arbeit aber keinen Abbruch und weiter ging es mit Strohballen pressen auf dem Nachbarsfeld. Über ein Tagesresultat von 20 Hektar mit 75 Strohballen und der täglichen Stallroutine war ich schon ein bisschen stolz. Meine Chefin und mein Chef begaben sich zum Wandern für acht Tage nach Lappland. Ich als Österreicherin würde das jetzt nicht gerade mit wandern auf Bergen vergleichen, sondern eher mit längeren Spaziergängen auf und um kleine Hügel. Da die beiden nicht anwesend waren, durfte ich mich um den Haushalt und die zwei jüngsten Kinder (Anna und Arttu) kümmern. Kochen für sechs Personen, Wäsche waschen oder darauf achten, dass die Kinder ihre Hausübung machen und nicht bis spät in die Nacht mit ihrem Handy spielen, ich übernahm diese verantwortungsvollen Aufgaben und schlüpfte für ein paar Tage in die Rolle von Marita.

In Finnland bekommt jede Landwirtin oder jeder Landwirt eines Milchviehbetriebes für eine gewisse Anzahl an Stunden einen Betriebshelfer zur Verfügung gestellt. So ist es auch Farmbesitzern möglich, einmal zu entspannen oder auf Urlaub zu fahren. In dieser Zeit, in der Marita und Risto „wandern“ waren, managten der externe Arbeiter und ich den Kuhstall. Zwar sprach dieser kaum Englisch, wir konnten uns jedoch mit Händen und Füßen verständigen.

Anfang September begannen ruhigere Zeiten im Stall. Zuvor im August war dies nicht der Fall. Über 25 Kälber kamen zur Welt, wobei sehr viele Zwillingsgeburten stattfanden. Da war der Milchkälberstall völlig ausgelastet und wir hatten alle Hände voll zu tun.

Das Sinken der Außentemperatur bedeutete auch einen Rückgang an Infektionen. Zudem sank die Anzahl an Geburten. Nur weil die Stallarbeit jetzt weniger wurde, hieß das noch lange nicht, dass keine anderen Dinge zu erledigen waren und Arbeiten auf mich warteten.

Die Straßen zu den Feldern waren urige Schotterwege. Die vielen Schlaglöcher lockerten die langen Fahrten zu den Feldern immer auf, leider jedoch nicht im positiven Sinn. Für diese Feldwege sind die Bäuerinnen und Bauern selbst zuständig und so war es eine zusätzliche Aufgabe von mir, diese Wege steinfreier zu machen, was ich mit einer Stein-Pick-Up-Maschine erledigte. Hierbei kam es durchaus vor, dass ich nicht einmal 100 Meter fuhr und der große Behälter war schon wiedervoll mit Steinen.

Die Region rund um meinen Betrieb ist grundsätzlich ein Torfgebiet bzw. ein ehemaliges Sumpf-/Moorgebiet. Wenn neue Felder entstehen, wird zuerst aufwändig Torf abgebaut und dann werden Felder angelegt bzw. präpariert. Steine und auch richtige Felsen erschweren aber gleichzeitig diese Vorhaben. Um die Bodenfeuchtigkeit zu reduzieren, wird das Wasser entweder mit unterirdischen Drainagen oder mit Wassergräben abgeleitet. Diese oberirdischen Wassergräben werden längs des Feldes alle 15-20 Meter angelegt und dadurch wird das Feld in Streifen geteilt. Um von einem Feldstreifen auf den anderen zu wechseln, muss man immer an das Ende des jeweiligen fahren. Trotz der Wasserableitungen herrscht immer eine sehr hohe Staunässe in den Böden. Diese Staunässe macht das Arbeiten auf den Feldern nicht einfach. Beim Bearbeiten der Felder werden immer noch teils „konservierte“ Bäume ausgegraben, welche mit einem kleinen Krananhänger von der bereits gepflügten Fläche aufgesammelt werden.

Meine freien Zeiten konnte ich noch immer intensiv nützen und so pflückten der ältere Sohn, seine Freundin und ich viele Eimer Preiselbeeren. Finnland ist nicht nur für seine endlosen Wälder und unzähligen Seen bekannt, sondern auch für die Vielfalt an verschiedensten Beeren. So machte ich aus unzähligen Kilogramm Preiselbeeren die beste Marmelade, die ich je aß. Zusätzlich zu der wilden Beerenvielfalt in den Wäldern war der hauseigene Beerengarten ein Paradies für mich. Die Vorliebe mit Früchten zu arbeiten habe ich von meiner Mutter und somit gab es viele Speisen mit Beeren und Früchten.

Bei einem meiner Ausflüge machte ich im September eine 70 Kilometer lange Fahrradtour rund um einige Seen. Dabei lernte ich ein finnisches Ehepaar kennen, die beide Universitätsprofessoren sind und am Stadtrand von Helsinki wohnen. Wir haben uns sehr gut unterhalten und sie luden mich ein, mich unbedingt bei ihnen zu melden, sollte ich Helsinki besuchen. Auf dieses Angebot wollte ich nach meinem Praktikum noch zurückkommen.

Die gemeinsamen Ausflüge führten uns unter anderem nach Kuopio zu der Skisprungschanze (Puijo-Schanze) und auf den Puijo Aussichtsturm. Wir besuchten einen Frisbeepark, fuhren zu Feuerstellen an Seen, grillten Würstel und ließen die Abende gemütlich ausklingen. Mit dem jüngsten Sohn lieferte ich mir regelmäßig und wortwörtlich Mini-Moped-GPs. Die Rennstrecke bestand aus dem Weg vom Kuhstall den Hügel hinauf zum Familienhaus, wobei der Vorplatz immer wieder ganz im Staub verschwand. Anna war meine kleine Lehrerin für Finnisch und wir erstellten gemeinsam ein kleines Wörterbuch für mich, welches mir oftmals eine große Hilfe war.

Der Sommersaison-Arbeiter ist ein riesengroßer Fan der Traktor-Marke „Belarus“. Jedes Jahr veranstaltet er nur mit alten Generationen dieser Marke ein Pflug-Event. Das wollte ich mir auf keinen Fall entgehen lassen. Fünf alte, laute und teils rostige Brummer fuhren hintereinander und wendeten den Boden. Die Fahrer selbst und auch die Fans leben für dieses Ereignis. Es machte echt Spaß zuzusehen.

Als Highlight im Norden gelten Polarlichter und ich konnte sie eines Abends tatsächlich bewundern. Es waren nicht die stärksten und kräftigsten mit ihrem bunten Farbenspiel, doch ich sah Polarlichter. Eines wusste ich sofort, das sollte nicht das einzige Mal für mich gewesen sein.

Die zwei jüngsten Kinder sind beim örtlichen Sportverein Mitglied und es stand ein letzter Laufbewerb für diese Saison an. Natürlich begleitete ich Arttu und war seine Laufkollegin. Dieser Lauf fand im Wald und Sumpfgebiet statt und wird als Navigation-Run bezeichnet. Man erhält einen Kompass, einen Zeit-Chip und eine Karte mit Markierungspunkten, die man der Reihe nach finden soll. Arttu und ich als Neuling in diesem Laufereignis legten drei Kilometer über Stock und Stein zurück. Gesprungen wurde über Wassergräben und umgefallene Bäume. Obwohl auf den letzten Metern mein Turnschuh im Sumpfboden stecken blieb, erreichten wir eine super Platzierung. Von 100 Teams beziehungsweise Einzelläuferinnen und Einzelläufern kamen wir mit einer sehr starken Zeit auf den dritten Platz. Das war ein sehr schönes, wenn auch nasses und schmutziges, Erlebnis.

Zurück aber zur Landwirtschaft. Bevor der Winter kommt, muss die ganze Gülle ausgebracht werden, da das ganze Volumen der Güllegruben über den Winter gebraucht wird. So brachte ich etwa 155 Mal 17 Kubikmeter Gülle auf die umliegenden Felder des Betriebes aus. Wie bereits erwähnt, machen die feuchten Torfböden das Arbeiten nicht einfach. Ich musste genau überlegen, an welcher Stelle ich ins Feld fahre, damit ich mit meinem Fuhrwerk im nassen Boden nicht stecken bleibe. Das war jedes Mal ein echter Nervenkitzel für mich. Bis auf einmal konnte ich dank meiner vorsichtigen Fahrweise ein Hängenbleiben verhindern. Es benötigte zwei Traktoren, um mein Gespann wieder flott zu bekommen.

Der Betrieb Pekkala hat 335 Hektar Wald, welcher jedoch von einer Person außerhalb bewirtschaftet wird. An einem Tag machte Risto mit mir eine Tour zu all den Wäldern, die Marita und er besitzen. Es war eine sehr lange Tour und ich kann sagen, bis auf Wälder und Bäume habe ich nur Bäume und Wälder gesehen.

In meiner letzten Woche durfte ich Heli und ihre Studienkolleginnen auf eine Rentierfarm in Lappland begleiten. Es war aufregend, Rentiere hautnah zu erleben, sie auch anzugreifen und streicheln zu können. Rudolphs Freunde waren flauschig und wirklich herzallerliebst. Ich durfte sogar ein Babyrentier mit einer Milchflasche füttern, da dessen Mutter bei einem Autounfall ums Leben gekommen war.

Wenn man Finnland in drei Teile teilt, dann liegt im unteren Drittel der Schwerpunkt der Landwirtschaft im Getreideanbau, Schweine und Geflügel. Im mittleren Drittel wird hauptsächlich Rindfleisch und Milch produziert. Diese Produkte werden auch in andere Länder wie z.B. Russland exportiert. Im oberen letzten Drittel, also in Lappland, ist die Haupt-Betriebsform die Produktion von Rentierfleisch. Nach einigen Verkostungen kann ich durchaus sagen, dass es sehr gut schmeckt.

An meinem letzten Tag auf meinem Praktikumsbetrieb Pekkala verabschiedete ich mich von den Kühen und Kälbern. Nach einer letzten Kuscheleinheit mit der Kuh 246 namens Pumpulli, einer kleinen finnischen Kuhrasse, führte mich mein letzter Gang in den Milchkälberstall. Schweren Herzens verabschiedete ich mich von all den kleinen süßen Kälbern.

Am Abend stand dann ein abschließender Saunagang mit Abkühlung im circa 8 Grad kalten See an. Mit leckerem Elchfleisch und einem von mir gebackenen Kuchen ließen wir gemeinsam mein Praktikum und meine Zeit in Finnland, die gesammelten Erfahrungen und die gemachten Erlebnisse Revue passieren.

Das finnische Volk ist offen, freundlich und nett, meine Gastfamilie ist das beste Beispiel dafür. Sie hat mir versprochen, mich in Österreich zu besuchen und ich werde ihnen voller Freude meine Heimat zeigen. Nach meiner Matura werde ich für einen Winter nach Finnland zurückkehren, um die Schönheiten des Landes zur Winterzeit zu entdecken.

Mein Pflichtpraktikum in Finnland zu absolvieren war die beste Entscheidung. Das Erasmus+-Förderprogramm bestärkte mich bei diesem Vorhaben und so durfte ich drei wundervolle und unvergessliche Monate verbringen. Ich bin sehr dankbar für diese Zeit!

Für drei Monate mein Arbeitsplatz.