„Erasmus!? Das möchte ich auch machen!“. Ab dem Zeitpunkt, an dem ich hörte, dass ich in meinem Studiengang ein Auslandssemester antreten kann, hatte ich den Wunsch und das Interesse danach, in einem anderen Land zu studieren und zu wohnen. Und so beschloss ich, in meinem zweiten Studienjahr ein Auslandssemester in Lissabon zu absolvieren. Für Lissabon entschied ich mich, da ich in einer Großstadt leben wollte, mich der Süden anzog und die Kultur interessierte. Ich hatte Portugal davor noch nie bereist und die Landschaft und Gesellschaft war ein Kontrast zu meiner bereits bekannten Umgebung. Der Abschied von meiner Familie und meinen Freunden fiel mir schwer, da ich noch nie so lange von zuhause und meinem Umfeld getrennt war. Doch ich nahm diesen Abstand als Chance wahr und flog voller Vorfreude und Neugierde nach Lissabon. Als ich ankam, begrüßte mich die Stadt mit Sonnenschein und langsam entwickelte sich diese laute und fremde Stadt zu meinem Zuhause. Ich war plötzlich nur für mich verantwortlich, wurde dadurch selbständiger und konnte viele neue Erlebnisse erfahren. Das sorglose Leben in Lissabon und all seine Facetten füllte mein Herz mit Glücklichkeit und trotz kleiner Hürden, die es zu meistern galt, fühlte ich mich sorglos und frei.
Natürlich musste ich mich in der neuen Umgebung erst zurechtfinden und konnte schnell feststellen, dass die Portugiesinnen und Portugiesen wirklich alle sehr zuvorkommend und hilfsbereit sind. Die Menschen strahlen eine Gelassenheit und Freude aus und respektieren einander, trotz vieler Unterschiede. Ich hatte wirklich oft sehr nette Begegnungen auf der Straße und fühlte mich immer sehr sicher in Lissabon. Auch durch meinen Portugiesischkurs-A1 konnte ich die ein oder andere Unterhaltung meistern. Ich wollte besser Portugiesisch lernen, damit ich nicht immer als Touristin erkannt werde, doch dies war schwerer als gedacht. Da ich blond und groß bin, war mir der Stempel „Touristin“ wie auf die Stirn geschrieben. In meinem Herzen fühlte ich mich hingegen schon nach wenigen Wochen wie Daheim.
Die Universität in Lissabon war am Anfang eine Herausforderung, doch alle Mühen haben sich gelohnt. Ich habe gelernt, geduldiger zu sein und abzuwarten. Das Motto war: „Vieles regelt sich mit der Zeit.“ Doch es war herausfordernd und ich musste viele Kurse ändern. Natürlich geht Nichts ohne Eigeninitiative. Am Ende hatte ich großes Glück mit meinen gewählten Kursen, da diese praxisbezogen waren und die Kommilitoninnen und Kommilitonen überaus offen und immer bereit zu übersetzen waren. Ich fühlte mich durch die Offenheit der portugiesischen Studierenden als Teil der Universität und hatte einen Platz im Geschehen. Dadurch erlebte ich die Zeit in der Universität als wertvoll.
Ich war glücklich, frei und fühlte mich angekommen. Besonders die bunten Farben der Azulejos (Fliesen an der Hauswand) und die langsam immer grüner werdende Stadt erleuchteten mein Herz. Nachdem es den ganzen Februar und März durchgeregnet hatte, blühte nun alles und das schöne Wetter kam und blieb.
Mit den mehr werdenden Sonnenstunden besuchte ich auch mehrere Events und Partys und lernte schnell andere internationale Studierende kennen. So knüpfte ich auch schnell Freundschaften und diese wurden in kurzer Zeit sehr eng. Wir reisten zusammen, kochten, lernten und verbrachten viele Stunden zusammen. Das Schöne war, dass jede:r in derselben Situation steckte und so hatte man schon eine Gemeinsamkeit. Durch internationale Freundschaften konnte ich andere Traditionen und Länder kennenlernen. Mein Highlight waren die gemeinsamen Reisen nach Madeira und auf die Azoren.
Durch weitere kleine Reisen im Land konnte ich Portugal mit all seinen Facetten besser kennenlernen. Portugal ist ein sehr grünes Land, was mich anfangs erstaunte. Das Land verfügt über Berge, viele Grünflächen und tolle lange Sandstrände an den Küsten. Ich musste wirklich nichts vermissen. Die Nähe zum Atlantik war anfangs ungewohnt, doch sie wurde schnell zum Alltag. So verbrachte ich mit meinen Freundinnen viele Sonnenstunden am Meer, beim Surfen oder an einem Miradouro (Aussichtspunkt).
Besondere Momente waren für mich unter anderem die traditionellen Feste und Feiertage in Lissabon, bei denen ausgelassen gefeiert wird und alle Menschen auf den Straßen miteinander tanzen. Ich konnte die Leidenschaft der Menschen spüren und fühlte die Glücklichkeit. Es war sehr besonders, da ich sowas noch nie miterleben konnte. Eindrücklich war der 25. April als Tag der Revolution. Es war sehr berührend, am Tag, an dem die Demokratie seit 50 Jahren in Portugal existiert, in Lissabon gewesen zu sein. In einer Menschenmenge durch die Straßen zu marschieren und die traditionellen Lieder und Parolen zu singen, war sehr aufregend.
Für mich persönlich war das Auslandssemester eine Bereicherung und ich konnte mich und mein Leben ein Stück weit besser kennenlernen. Ich habe mich entwickelt und erkannt, was mir im Leben wichtig ist. Das Auslandssemester hat mir gezeigt, dass ich alleine viel meistern kann. Dieses Semester wird immer einen Einfluss auf mich haben und ich bin weltoffen, selbstsicher und kenne meine Bedürfnisse. Die Stadt hat mir eine ganz andere Fröhlichkeit gegeben und ich bin froh, ein Teil von Lissabon gewesen zu sein. Ich habe gelernt, wie wenig man zum Leben braucht und wie wenig Klamotten ich eigentlich benötige. Nun schmerzt der Abschied, doch die Erinnerungen und Erfahrungen bleiben. Wo ist die Zeit hin? Am Anfang verging die Zeit langsam, doch jetzt ist die Zeit gekommen und ich kehre in mein Zuhause zurück. Gleichzeitig verlasse ich dabei auch mein temporäres Daheim. Ich fühle mich zwei Städten verbunden und das, obwohl ich in Portugal und Lissabon nur 178 Tage gewohnt habe. Doch ich habe in diesen 25 Wochen so viel erlebt, gelebt und gesehen. Ich bin froh, ein Auslandssemester gemacht zu haben und die Möglichkeit bekommen zu haben. Obrigada Lisboa und bis bald!