Story von Laura Reischle

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Zielland Spanien
Geburtsdatum 23.06.1999
Kategorie
ESK-Jubiläum
Soziale Netzwerke

Laura Reischle, am 27.10.2023 um 17:56

Adiosito, besito, ciao.

Diese drei Wörter nehmen mich gedanklich immer wieder mit zurück in mein Jahr in Manresa - der Stadt, die die Katalanen auch als el cor de Catalunya bezeichnen.

„Adiosito, besito, ciao!“ Mit diesen Worten beenden wir wie immer unser Telefongespräch. Machen das schon seit sechs Jahren so. Und dies nur, weil unser katalanischer Kollege diese Verabschiedungsformel täglich verwendete. Nach jedem Gespräch mit ihr oder Skypedates mit meinen anderen internationalen Freund*innen, denke ich zurück an „das Jahr meines Lebens“. Wahrscheinlich war es nicht das beste Jahr meines Lebens. Aber es fühlte sich lange so an. Oft fallen mir nach solchen Gesprächen die kleinen Momente wieder ein. Das erste Mal, als ich vom Europäischen Freiwilligendienst hörte. Damals nahm mich eine Freundin mit zum Infoabend in Vorarlberg – zum Glück. Die Versuche, Spanisch vor meiner Abreise zu lernen und mein bisheriges Leben in einen Koffer zu packen. Die Nervosität gemischt mit der riesengroßen Vorfreude, als ich im Flugzeug nach Barcelona saß. Die Verwunderung, als mir eine österreichische Nummer bei der Ankunft schrieb und mich auf die klassische Bussi links, Bussi rechts – Begrüßung vorbereitete. Den ersten Moment allein im Apartment, da ich die erste war, die in der WG ankam. Die Kinder, die mir aus irgendeinem Grund in Erinnerung blieben. Ich erinnere mich nicht mehr an ihre Namen, aber an die lustigen Momente während des Englischlernens und an ihre freudigen Gesichter, wenn sie es endlich schafften, mich auf Englisch nach meinem Wochenende zu fragen. Die zwei Stühle in der letzten Reihe des kleinen Raumes, in dem wir zweimal die Woche Katalanisch-Unterricht hatten. Den Moment, als mein Handy gestohlen wurde und ich gezwungen war, eine Woche ohne es auszukommen (was wider meiner Erwartungen ohne Probleme geklappt hat). Die Autofahrten mit meinen spanischen Arbeitskolleginnen, bei denen wir über alles Mögliche quatschten und Freundschaften entstanden. Die Diskussionen über meine Studienwahl mit meinen älteren Mitbewohnerinnen, die mir wertvolle Ratschläge gaben und mir immer wieder erklärten, dass ich schon was finden würde. Die gemeinsamen Abende in unserem Wohnzimmer – Karten spielend, gemeinsam essend, am Ausflüge planen und am Feiern. Den Moment, als ich die anderen zum letzten Mal umarmte und weinend in das Taxi stieg, welches mich zurück zum Flughafen brachte. Irgendwie wurde mir erst in diesem Moment klar, dass mein Leben in der katalanischen Kleinstadt Manresa nun vorbei war. 

Ein kleiner Teil von mir befindet sich noch immer dort. In der Wohnung im ersten Stock, mit Blick auf dem Innenhof. Im Park nebenan, von dem aus der einzige Berg weit und breit sichtbar war. In unserer Lieblingsbar, auf dem Hauptplatz. Auch der Gedanke, zurückzuziehen begleitet mich auch nach all diesen Jahren noch. Gerne würde ich wieder die Castellers bewundern, spontan ans Meer fahren oder an einer Calçotada teilnehmen. Doch ohne meine internationalen Freund*innen und Mitbewohner*innen wäre es nicht dasselbe. Einer von uns ist dortgeblieben, der Rest wohnt irgendwo in Europa. Manche arbeiten, andere studieren noch. Einige sehe ich mehrmals pro Jahr, andere habe ich nie wieder getroffen. Einem bin ich zufällig auf dem Capitol in Rom begegnet. Alle haben sich verändert, auch ich. Wenn ich daran zurückdenke, wird mir klar, wie sehr diese Monate mein Leben beeinflusst haben. Die Wahl meines Studiums und meine Art, die Welt zu sehen. Auch die Realisation, wie privilegiert ich als Österreicherin bin, machte ich erst während diesem Jahr. Meine Art Englisch zu sprechen ist ebenfalls ein Relikt aus dieser Zeit. Jedes Mal wenn mich jemand fragt, wieso ich die Sprache mit einem britischen Akzent spreche, erzähle ich den Menschen von meiner wundervollen britische Mitbewohnerin. Ich vermisse die Menschen und die spanische Art zu leben immer noch. Erkläre meinen österreichischen Bekannten gerne zum hundertsten Mal das Katalanisch eine eigene Sprache und kein Dialekt ist. Drehe mich auf der Straße um, wenn die Leute hinter mir Spanisch sprechen und weiß, dass es nie wieder so sein wird wie es war. Doch was bleibt sind die Erinnerungen und die Gespräche mit den Freunden von damals. In diesem Sinne: „Adiosito, besito, ciao!“

Meine britische Mitbewohnerin und ich auf der Calçotada in Manresa.